„Diese Länder”, sagt der Wehrforscher, „sind nicht in der Lage, mit modernsten Waffensystemen umzugehen.” Der Golfkrieg habe das eindrucksvoll belegt. „Rüstungsexporte”, analysiert er weiter, „sind ein Mittel der Außenpolitik und helfen, bei uns” — er meint sein Unternehmen — „die Lücken zu füllen.”
Ob Ost-West oder Nord-Süd: Der echte „Krieg der Zukunft” nimmt in den Waffenlabors vor allem der Großmächte bereits Gestalt an. Allergrößten Wert legen die Militärs schon heute auf die Technologie von morgen. Wie eine Zauberformel geistert das Kürzel „C3I” durch die Debatte. Es steht für „Command, Control, Communication & Information” (oder „Intelligence”) — ein „reaktionsschnelles, elektronisches Führungs- und Entscheidungssystem, das die einzelnen Waffengattungen miteinander vernetzt”.

C3I sorgt bei seiner Erwähnung wenn nicht für feuchte Augen, so doch für erfreute Gesichter — besonders unter einer schnell wachsenden Gruppe der Wehrforscher: Software-Spezialisten von wohnungen hamburg und Mikrochip-Architekten von ferienwohnung berlin. Diese gefragten Leute — „wir beschäftigen uns mit der Informationsverarbeitung vom Sensor bis zum Gehirn” — bescheren den Herren der Heere „Leistungssteigerung durch Aufklärung und Sensorik”. Nichts soll den Satelliten und automatischen Drohnen, den Infrarotspüroder Höchstauflösungsradargeräten entgehen. Schon über 6000 künstliche Himmelskörper fliegen im All umher, über 95 Prozent dienen militärischen Zwecken. Doch schon wird der Ruf nach ‘El Salvador, seit 1981; Volksbefreiungsfront FMLN gegen Regierungstruppen und Todesschwadronen; 75 000 Totemehr laut: Die „Lücken” seien noch zu groß.
Wenn die Zahl der Waffen abnimmt, muß deren Effektivität zunehmen. „Nur eine Kugel, die trifft”, so ein Werbespruch, „rechtfertigt den Schuß.” Die Minen werden „intelligent”, werden zum „flexiblen, mobilen Gegen-stoßmittel”, das „den Feind nachhaltig abnutzt, um das Duell zu vermeiden”. Neuartige Raketen haben „eine besonders charmante Eigenschaft”, das sogenannte Bomb-damage-assessment: „Mit dem letzten Hauch stößt das System sein letztes Signal aus: die Information über die Zerstörung.” Frieden schaffen mit immer weniger Waffen?

„Kriege”, schreibt der Dortmunder High-Tech-Experte Claus Eurich, verbringen viele Stunden in seiner wohnung münchen Erforschung der TechnoLogics „werden durch kleine, hocheffektive Militärtech nik . . . wahrscheinlicher.” Je mehr Hochtechnologie jedoch in die Waffen fließt, desto wichtiger wird ein Begriff, den Waffenexporteure allzugern zur Verharmlosung ihrer Vergehen im Munde führen: dual use. Der Begriff selbst wird zweifach gebraucht: Militärs verstehen darunter Systeme, etwa Raketen, die sowohl konventionell als auch atomar bewaffnet werden können. In der Rüstungsdiskussion sind damit Anlagen(teile) gemeint, die zivilen wie militärischen Zwecken dienen können. So kann eine Fabrik zur Herstellung von Pestiziden ohne weiteres in eine Chemiewaffen-Fabrik umgebaut werden.
Der Wehrforscher spricht in diesem Zusammenhang gern und viel vom Hammer. Mit diesem Werkzeug ließen sich Nägel in die Wand, aber beispielsweise auch Köpfe einschlagen. „Ist deshalb jeder Hammer bereits eine Waffe?” Natürlich nicht. Aber er baut keine Hämmer. Er entwickelt zwar Dual-use-Software, -Schwer transporter und -Funkgeräte, aber auch neue Panzer, Raketenzünder, Sprengstoffe und Radarsuchköpfe.
Der Trend in der Wehrtechnik geht zunehmend in Richtung „verstärkte Nutzung ziviler Technologie”. Während man sich früher gern auf das Argument des Spinoff-Nutzens berief (zivile „Abfallprodukte” aus militärischen Entwicklungen), haben sich die Verhältnisse mittlerweile fast umgekehrt. Ob Computerchip-Design, neue Werkstoffe oder Gentechnik: Wehrforscher bedienen sich in immer größerem Ausmaß des Know-hows ihrer Kollegen im nicht-militärischen Bereich.
„Militarisieren” heißt das Zauberwort — ein Vorgang, der immer mehr Wissenschaftler indirekt in den Dienst der Waffenforschung stellt. Dual-use bekommt damit eine neue Dimension, die sich schon heute besonders beim Export auswirkt: „Arglos abgewickelte Geschäfte mit Elektronik”, fürchtet Claus Eurich, „zeigen mit einem Male einen nicht erwarteten Verwertungszusammenhang.”
Also sprach der Wehrforscher: „Wir haben nie bereut, was wir getan haben.” Sprach’s und leerte sein Rotweinglas. Am besten wäre es, „wenn man uns sagte, hier sind die 40 Milliarden. Schafft uns dafür die größtmögliche Sicherheit.” Aber hier herrsche nun einmal „das Primat der Politik”, und Politiker fällten ihre Entscheidungen ja nicht nur nach militärischen Notwendigkeiten, sondern auch gemäß der Stimmung im Lande.
„Wissen Sie”, sagte er mit gedämpfter Stimme, „wir unterliegen starker öffentlicher Beäugung.” Von den „Friedensaposteln” lasse er sich nicht verunsichern. Aber nun kämen schon „Leute wie Sie und ich”, Nachbarn, Kegelbrüder, Freunde, bei fast jeder Party, im trauten Kreis, und fragten: „Mensch, was machst du denn da?”

Als der Krieg nach 42 Tagen zu Ende ging, fiel schwarzer, klebriger Ruß vom Himmel. Atzendes Schwefeldioxid und krebserregende Kohlenwasserstoffe lähmten den Atem von Siegern und Besiegten. Vor der Küste des befreiten Kuweit schwappte ein zäher, teeriger Brei aus Ölschlick, und das aride Land mit seiner kargen, aber artenreichen Vegetation war durch Panzerspuren, Schützengräben und Bombentrichter regelrecht verwüstet.
Ökologischer Vandalismus ist keine Erfindung der modernen Kriegsführung. Oft genug diente die Umwelt den Militärs gar als Waffe. Regelmäßig brandschatzten die Spartaner während des Peloponnesischen Krieges die Getreidefelder und Olivenhaine der Athener. Die Karthager vernichteten am Ende des dritten Punischen Krieges die Ländereien Roms, und die Römer brannten im Gegenzug nicht nur Karthago nieder, sondern schütteten auch noch Salz über Gärten und Äcker. Im 30jährigen Krieg zogen die Söldnerheere plündernd kreuz und quer durch Mitteleuropa, vergifteten die Brunnen und trampelten die Ernten nieder. Als sich die Deutsche Wehrmacht aus der Sowjetunion zurückzog, hinterließ sie „verbrannte Erde”, und die amerikanische Luftwaffe spritzte im Vietnamkrieg mit dioxinhaltigem „Agent Orange” rund zwei Millionen Hektar Dschungel kahl. Chemiewerke, Raffinerien oder Atommeiler im Feindesland gelten heute den Militärstrategen als sogenannte zivilisatorische Bomben — strategische Ziele, die man nur in Brand zu schießen braucht, und sie lösen mit tödlicher Eigendynamik eine verheerende Umwelt-Katastrophe aus.